Nach dem Abschied der letzten Weihnachtsbäume, die in katholischen Gegenden traditionell erst zu Lichtmess¹ entfernt werden, kündigt sich nun unwiderruflich Frau Fasnacht an – begleitet von der unverkennbaren Guggenmusik.

Die musikalische Evolution: Von Musikvereinen zu Guggenmusik

Ich selber konnte in meinem Heimatdorf hautnah miterleben, wie sich die Guggenmusik entwickelte. Hörte man in den 1960er Jahren noch ausschliesslich den örtlichen Musikverein, der lediglich ein für die Fasnacht angepasstes Repertoire spielte, mauserte sich das Ganze weiter zu eigenständigen Formationen, die aktuelle Musikströmungen aufnahmen, das ganze Jahr über solche Musikstücke lernten und sogar an Choreografien feilten. Die erste Oberdörfer Guggenmusik ist wohl «Los Ventilos», die meines Wissens Mitte der 1970er Jahre gegründet wurde. Ihr erster Tambourmajor, mir persönlich bekannt, spielte dabei eine führende Rolle.

Guggenmusik: Ein kulturelles Spektakel mit Wurzeln und Wandel

Seit einiger Zeit gibt es landauf und landab Guggenkonzerte, die publikumsmässig und auch sonst an Rock-Konzerte erinnern. Hier macht also die Jugend – im Gegensatz zur üblichen Volksmusik – begeistert mit, lässt sich von den Rhythmen mitreissen, tanzt und jubelt den Guggen zu. Die Musikgenres reichen heute von Rock, Pop, über Filmmusik bis vereinzelt zu Techno und Hip-Hop.

Die Guggenmusik illustriert damit eindrücklich die alte Tradition der Volkskultur; nämlich den steten Wandel und die ständige Anpassung an die sich verändernden Umstände und Bedürfnisse durch die Verarbeitung neuer Einflüsse und Anregungen.

Ich selber bin ein grosser Anhänger der Guggenmusik und deshalb interessiert es mich, ob es möglich ist, die Wurzeln dieses Fasnachtsbrauches zu orten.

Auf der Suche nach den Ursprüngen: Guggenmusik zwischen Winteraustreibung und Rügebrauch

Obwohl viele Fasnachtsbräuche in der (heidnischen) Winteraustreibung wurzeln, könnte die Guggenmusik auch aus einem alten Rügebrauch² hervorgegangen sein, der im Ancien Régime³ zur Sanktionierung untypischer Heiraten und Verhaltensweisen diente.

Zu den bevorzugten Lärminstrumenten zählten Trommeln, Pfeifen, Tierhörner, Glocken, Schellen, Ratschen, Peitschen, Dreschflegel, Blecheimer und Topfdeckel.

Ausgeführt wurde dieser Rügebrauch – auch «Charivari» oder «Katzenmusik» genannt – von den Jungen, die an Stelle der Erwachsenen und mit ihrem Einverständnis handelten; sie nahmen diejenigen aufs Korn, die als Gegner der Gemeinschaft identifiziert wurden.

Ob sich aus diesem Rügebrauch die Guggenmusik, die ja ursprünglich aus dem alemannischen Raum (Schweiz und Süddeutschland) kommt, ableiten lässt, kann ich allerdings nicht mit absoluter Sicherheit sagen.

Historische Meilensteine: Die Institutionalisierung der Guggenmusik

In einer alten Chronik habe ich lesen können, dass im Jahre 1874 erstmals eine Blaskapelle zum Morgestraich in Basel mitmarschierte – unter heftigstem Protest der Fasnachts-Oberen. Zehn Jahre später wurde es aber polizeilich erlaubt!

Der Begriff Guggenmusik ist erstmals an der Basler Fasnacht von 1906 belegt und leitet sich vermutlich her von «Gugge», was im Basler Dialekt für alle Arten von Blechblasinstrumenten steht.

Was ist sie nun die Guggenmusik? Winteraustreibung oder Rügebrauch?

Letztendlich ist die Frage, ob die Guggenmusik aus der Winteraustreibung oder einem Rügebrauch entstanden ist, vielleicht weniger wichtig als die Freude, die sie heute vielen Menschen bringt. Wie die Glocken zum Kirchturm gehört die Guggenmusik zur Fasnacht – ein unverzichtbarer Teil des kulturellen Lebens.

Erläuterungen

[1] Mariä Lichtmess am 2. Februar, markiert das Ende der Weihnachtszeit und ist 40 Tage nach Weihnachten. Der Tag wird mit der Segnung von Kerzen und Lichterprozessionen gefeiert, die das ‚Licht Christi‘ symbolisieren.

[2] Erläuterung Rügebrauch: Volksbrauch, mit dem bestimmte Zustände oder Personen gerügt oder kritisiert werden, häufig in scherzhafter Form.

[3] In der Schweiz bezeichnet der Begriff «Ancien Régime» die Zeit vor der Helvetischen Revolution von 1798, als das Land aus einem losen Bund von selbstständigen Kantonen bestand, die von aristokratischen und patrizischen Familien regiert wurden.

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